Das medizinisches Wissensnetzwerk evidence.de der Universität Witten/Herdecke
1. Projekt
Das medizinisches Wissensnetzwerk evidence.de der Universität Witten/Herdecke
Das medizinische Wissensnetzwerk evidence.de ist eine
Einrichtung der Universität Witten/Herdecke. Im Jahre 1999 als Projekt der Fakultät für Medizin gegründet, stellt es die dezentral vorhandene Kompetenz zeitnah und basierend auf aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnissen (“evidenzbasiert”) für Ärzte und Patienten zur Verfügung.
2. Zielsetzung
Das Ziel des medizinischen Wissensnetzwerks evidence.de ist es, aus der zunehmenden Informationsmenge die
Erkenntnisse herauszufiltern, die für Mediziner und Patienten gleichermaßen relevant und hilfreich sind.
Die drei wichtigsten Schritte zur Erreichung dieses Ziels:
2.1. Für die dezentralen kooperierenden Einrichtungen der medizinischen Fakultät (Lehrkrankenhäuser, Allgemeinarztpraxen,
wissenschaftliche Institute) wird im Internet eine Plattform zur inhaltlichen Zusammenarbeit aufgebaut.
2.2. Neueste medizinische Erkenntnisse werden nach wissenschaftlichen und evidenzbasierten Kriterien durch ein Ärzteteam und die Experten
der kooperierenden Kliniken und Praxen zusammengestellt. Anschließend werden die themenspezifischen Informationen sprachlich und grafisch so überarbeitet, dass sie von den Patienten sinnvoll genutzt werden
können.
2.3. Die Erfahrungen mit dem kondensierten Wissen werden dem Netz von allen Anwendern – Patienten, Pflegenden, Ärzten etc. –
zurückgespiegelt und ermöglichen einen kontinuierlichen Anpassungs- und Lernprozess.
3. Stellenwert des Vorhabens
Für ein modernes und international konkurrenzfähiges Gesundheitswesen ist es wichtig, sinnvolle und effiziente Lösungen für den medizinischen
Wissenstransfer zu entwickeln und umzusetzen. Evidenzbasierte Leitlinien sind der Versuch, diese “bestverfügbaren” Studien nach einem einheitlichen Schema für einzelne Indikationsgebiete zusammenzustellen und für
individuelle Fragestellungen in der Praxis umsetzbar zu gestalten; sie stellen systematisch entwickelte Synthesen des aktuellen Wissensstandes dar und sollen Ärzten und Patienten als praktische Informationshilfe
dienen.
Vier ausgewählte Aspekte aus nationaler und internationaler Perspektive sind verantwortlich, dass das heute ohnehin schon wichtige Thema der evidenzbasierten Medizin noch an Bedeutung gewinnen wird:
3.1. Demografie: ein kontinuierlich steigendes Durchschnittsalter bei Männern und Frauen führt dazu, dass immer mehr Menschen an
chronischen Erkrankungen leiden. Gerade bei den nicht-akuten Erkrankungen ist es besonders wichtig, dass die Patienten, in dem Maße, wie es ihnen individuell möglich ist, Krankheitsverlauf, Diagnostik- und
Therapieentscheidungen, mit beeinflussen. Dies sollte basierend auf dem aktuellen Kenntnisstand und - im Idealfall - zusammen mit dem behandelnden Arzt geschehen (“shared decision making”).
3.2. Wirtschaft und Innovation:
bereits heute fließen 10,5 % des Bruttosozialproduktes in das deutsche Gesundheitswesen, das drittteuerste der Welt. Gleichzeitig erreichen Lebenserwartung, krankheitsspezifische Morbidität und Mortalität in Deutschland im internationalen Vergleich nur Mittelmaß. Für die Medizin bedeutet dies: weniger “falsche” (oder: überflüssige, nicht indizierte etc.) und mehr “richtige” (oder: angemessene, wissenschaftlich überprüfte, vom Patienten gewünschte,) Entscheidungen zu treffen. Für diese Selektion ist jedoch eine solide wissenschaftliche Basis (=Evidenz) notwendig (siehe auch Gutachten des Sachverständigenrates für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, August 2001).
3.3. Patientenautonomie:
in den Zeiten der “Informations- und Wissensgesellschaft” wollen immer mehr Menschen selbst entscheiden, was sie tun und lassen, welche Therapie sie wählen und welche nicht. Das Gesundheitswesen ist in vielen Bereichen jedoch immer noch darauf ausgerichtet, dass die Experten große Teile der anstehenden Entscheidungen treffen und nicht die Menschen selbst. Hier ist gezielte und qualitativ hochwertige Transparenz des Wissens gefordert.
3.4. Integrierte Versorgung und Disease Management Programme: Mit neu konzipierten Behandlungsprogrammen für chronisch kranke Menschen
ist die Hoffnung verbunden, diese effizienter und effektiver versorgen zu können. Um das erreichen zu können sind evidenzbasierte Empfehlungen unabdingbar – für Mediziner und Patienten.
4. Netzwerkpartner und Verfahrensablauf
Die maßgeblichen inhaltlichen Partner bei der Entwicklung des medizinischen Wissensnetzwerkes sind:
- das Kernteam, die Mannschaft von evidence.de
- die medizinischen Experten: Professoren, Oberärzte und leitende Ärzte in den 15 kooperierenden Kliniken und 120 Lehrpraxen der Universität
- betroffene Patienten und Angehörige sowie Selbsthilfegruppen und -organisationen aus den jeweiligen medizinischen Indikationsgebieten
Der Verfahrensweg stellt sich wie folgt dar:
4.1
Das Kernteam identifiziert einen medizinischen Themenbereich, für den das weltweit verfügbare Wissen aufbereitet werden soll. Die Auswahlkriterien dabei sind:
a. epidemiologische Bedeutung
b. medizinische Relevanz
c. volkswirtschaftliche Bedeutung
Konsequenz dieser Kriterienauswahl ist, dass große und meist chronische Krankheitsgebiete prioritär bearbeitet werden: Herzinsuffizienz, Hypertonie,
Demenz, Asthma etc.
4.2
Ein themenbezogenes Arbeitsteam (z.B. das Team “Demenz”) wird gebildet, das die besten weltweit verfügbaren evidenzbasierten medizinischen Leitlinien zusammenstellt und um die aktuelle medizinische Literatur ergänzt.
4.3
Die medizinischen Experten bewerten die internationalen Dokumente unter folgenden Gesichtspunkten: Wissenschaftlichkeit, Aktualität, Übertragbarkeit auf bundesdeutsche Verhältnisse und Rechtsnormen, sowie möglicher Einsatz im Netzwerk und innerhalb von Disease Management Programmen.
4.4 Aus den vorliegenden Dokumenten und Bewertungen wird eine Leitlinienversion für das Wissensnetzwerk erstellt, die den aktuellen
wissenschaftlichen Stand zu dem jeweiligen Themengebiet wiedergibt und transparent macht.
4.5
Freie wissenschaftliche Mitarbeiter (Ärzte, Krankenschwestern, Pflegewissenschaftler, Medizinstudenten) erstellen in Kooperation mit dem Kernteam die Laienversion der medizinischen Leitlinien, d.h. eine sprachlich leicht verständliche Patienteninformation mit den wesentlichen Fakten der Ärzteversion.
4.6 Das Kernteam erstellt ein Evaluationskonzept, in dem die Methoden, Parameter und Zeitabläufe für eine Überprüfung der Informationen
in der Praxis festgelegt werden.
Das Endprodukt dieses Entwicklungsprozesses besteht aus fünf „Bausteinen“ (s.5)
5. Bausteine des medizinischen Wissensnetzwerks evidence.de
5.1 Evidenzbasierte Leitlinien für Ärzte Unter der Internet-Adresse www.medizinerleitlinien.de werden die evidenzbasierten Leitlinien
– wie oben beschrieben – publiziert und vor allem für Ärzte und andere medizinische Professionen zugänglich gemacht.
5.2 Evidenzbasierte Leitlinien für Patienten Unter www.patientenleitlinien.de werden die medizinischen Informationen für Patienten
publiziert. Sie sind – wie oben beschrieben – ebenfalls evidenzbasiert, aber in einer für Laien leicht verständlichen Sprache formuliert. Nach Möglichkeit werden zusätzlich einfache grafische Darstellungen
integriert. Damit stellen Sie eine gute Grundlage für eine gemeinsame Entscheidungsfindung (“shared decision making”) zwischen Patienten und ihren behandelnden Ärzten dar.
5.3 Informationssysteme für Patienten und Ärzte (Internetplattform) Integraler Bestandteil des medizinischen Wissensnetzwerks ist
seine Internetpräsenz www.evidence.de. Neben den Links zu den anderen Internetdomänen des Netzwerks werden hier auch die wissenschaftlichen Ergebnisse veröffentlicht.
5.4 Interaktive, leitliniengestützte Fortbildung für Ärzte und Studierende Um das neue Wissen bei den Ärzten zu verankern, wird eine
evidenzbasierte und leitlinienorientierte Fortbildung angeboten. Diese Online-Fortbildung wird auf dem Portal www.medizinerwissen.de implementiert.
Auf dieser Plattform können Ärzte, basierend auf den Leitlinien des Netzwerks, ihr medizinisches Wissen testen. Die einzelnen Module werden im
Rahmen der ärztlichen Fortbildung (CME) durch die Ärztekammer Westfalen/Lippe zertifiziert.
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